"Neu" in Berlin: Berlin, mein zweites Zuhause...
Die Rückkehr von einer hektischen und stressigen, aber gleichzeitig auch schönen Reise nach Istanbul, vollgespickt mit sehr wertvollen Momenten mit guten Freunden und Familie... Und gleichzeitig auch der Moment, indem das nun schon fast ein Jahr anhaltende Wirrwarr in meinem Kopf sich entknotet hat... Berlin ist für mich mittlerweile die Stadt, in die ich "zurückkehre" und Istanbul, die, in die ich "anreise"…
Endlich zurück von Istanbul nach Berlin, wohin ich zu Familientreffen und zur Verfolgung von Arbeitskram und dergleichen hinfuhr... Am Flughafen beider Städte traf ich auf ein ganz anderes Bild als das, was uns in der Presse und den sozialen Medien suggeriert wird: alles viel entspannter als vermittelt... Ehre, wem Ehre gebührt, d'rum komme ich auch nicht umhin, wenn ich in Berlin nach Istanbul gefragt werde, zu schildern, dass ich finde, dass Istanbul, trotz seiner Menschenmenge und seines ganzen Chaos, in diesen Tagen "dieses Ausnahmezustandes" doch sehr vorbereitet auf diese ganze Situation wirkt.
Und wenn ich in Istanbul bin, "kommen" natürlich immer noch auch Fragen von meinen dortigen Freunden. Und was definitiv immer dazu gehört: die Geschichte beider Städte miteinander zu vergleichen. Ich merke dann am Klang ihrer Stimmen, dass man von mir erwartet, mich so langsam mal zu entscheiden, welche Stadt ich mehr liebe, zu welcher ich mich zugehöriger fühle! Dies ist, für eine Istanbul-Liebhaberin, die zugleich auch noch einen Nachnamen trägt, bei dem es heißt, nomen est omen, und als würde das nicht reichen, die dann auch noch Jahre lang Nachrichten zu und über Istanbul erstellt und damit ihren Lebensunterhalt verdient hat, ein Vergleich, der einen doch ganz schon in die Bredouille bringen kann. Während der ersten Tage merke ich, dass ich versuche, so zu antworten, "dass keine der beiden Seiten sich gekränkt fühlt" – also, ganz reflexartig, mit einem Reflex, von dem ich finde, dass er auch total zu meinem Türkisch sein passt! Doch jetzt ist es Zeit, mich zu outen: Auch wenn der Hauptgrund, dass ich von Istanbul nicht loskomme, meine Verwandten, Freunde und Buddies sind, so ist der zweite Grund doch das herrliche Lichterspiel dieser hügeligen, alten Stadt! Und damit meine ich dieses Lichterspiel, das sich, noch während man von einem Ende zum anderen eines Stadtteils geht, verändern kann; diese himmlische Überraschung, der man selbst mitten im tiefsten Winter begegnen kann…
In Berlin hingegen ist der Himmel so nah, dass ich nur meine Hand reichen brauche. Er hat so ein tiefes, intensives Grau an sich. Und verwundert merke ich, dass er selbst mich, eine Novembergeborene, von der man weiß, dass sie den Herbst, ihren Wintermantel und Boots liebt, trübselig zum Seufzen bringen kann.
Seht ihr, da wären wir auch schon am bereicherndsten Punkt daran, an einem fremden Ort "noch ein" Leben zu gründen, angelangt: Sich darüber bewusst zu werden, wie Situationen, die du nicht kennst, über die du dir noch nie Gedanken gemacht hast, das Leben doch verändern können. Und von dieser Anleitung nun wieder zurück zu den atmosphärischen Ereignissen. :)) Ich glaube, dass dieses rohe grau, von dem ich oben sprach, zugunsten der Berliner wirkt: In einer Zeit, in der fast jeder Tag wie eine Kopie des anderen vergeht, ist es so, als würde sowohl dein Wille als auch deine Kraft, dich fokussieren zu können, steigen... Du erkennst, dass du, sofern dich nichts – wie in etwa einer "milden Bosporus-Meeresbrise" – in Versuchung bringt, du auch viel qualitativere Arbeitsresultate erzielst. Und ich finde selbst das zum Sport gehen, die Disziplin, in einer ebenen Stadt einen Spaziergang zu genießen, zählen hier auch dazu…
In Istanbul hingegen kann jeder Tag Überraschungen mit sich bringen: das ist wohl der Preis, wenn man versucht, mehrere Hüte auf einmal zu tragen. Für Freiberufler wie mich gehört es mittlerweile zu einem Bedürfnis, zwischen zwei Jobs ein nettes Treffen auf einen Kaffee mit einem Freund oder einer Freundin miteinzubauen! Und auch der Unterhaltungston ist in Berlin doch vielleicht ein bisschen schöner: Hier werden Treffen mit neuen Bekanntschaften oder auch alten Freunden, Termine, auf die man den ganzen Tag wartet, immer auch gekrönt mit langen Unterhaltungen an der Raki-Tafel. Es ist, als würde man hier von so kurzen Unterhaltungen, Unterhaltungen auf den Sprung, nicht wirklich viel halten. Mehr noch, die Schwellen, auf dem Weg des sich Kennenlernens, werden hier, glaube ich, auch ein bisschen schneller hinter sich gelassen. Wie auch letztens geschehen, bei meiner Erkundungstour des Pist Life Stores, einer richtigen coolen Location, die sich in der Nähe des Rosanthaler Platzes befindet. Unsere Bemühungen mit der Industrial-Designerin, Pınar Azizoğlu, uns gegenseitig kennenzulernen, wandelten sich von einem schnellen Kaffee, der vor dem Laden, zwischen Tür und Angel, getrunken wurde, zu einem chilligen und genussvollen Trinkereignis, bei dem "YENI Rakı Ustaların Karışımı", dem "Rakı-Mix der Rakı-Meister" genossen wurde. Jeder offenbarte seine eigenen Pläne, erzählte die eigene Geschichte: die sich miteinander kreuzenden Ideen, die Option, sich später gegenseitig vielleicht auch Hilfestellung geben zu können, gaben, um offen zu sein, der ohnehin locker fließenden Unterhaltung, dann auch noch eine Prise Hoffnung dazu... Später dann, in einem bekannten Holzkohlengrill-Restaurant der Stadt, dem Adana Grillhaus, stellten wir dann eine kunterbunte Gruppe dar, und legten diesmal unseren gemeinsamen Kreuzungspunkt, Berlin, unter frohem Gelächter auf den Tisch… Die Atmosphäre am Tisch, an den wir uns zur Abenddämmerung hin setzen, wandelte sich, dank der eiskalten Yeni Rakıs, die genüsslich getrunken wurden, ziemlich schnell zu einem geselligen Zusammenkommen guter Freunde. Genauso wie bei den lustigen und heiteren Raki-Zusammenkünften, wie man sie aus Istanbul vermisst, wurden auch in Berlin die Gläser immer wieder auf den gleichen Wunsch gehoben: "En kötü günümüz böyle olsun!" ("Auf dass unser schlimmster Tag so sei!")