"Neu" in Berlin: Ganz Berlin spricht über diesen Astronauten!
Vor ein paar Monaten kam folgende Nachricht vom Yeni Rakı Team Deutschland: Gemeinsam mit ONUR, der auf dem Gebiet der Mural Art weltweit bekannt ist, starten wir im Namen von Yeni Rakı Deutschland ein Projekt auf den geschichtsträchtigen Überbleibseln der Berliner Mauer.
Wandmalerei – Deutschland – Berliner Mauer... Diese imponierenden Schlüsselwörter zogen mich natürlich noch vor dem Treffen mit ONUR voll in ihren Bann. Und als ich dann am Ort des Geschehens, genau gegenüber der East Side Gallery, „das größte lebende Überbleibsel“ der Berliner Mauer, ankam, diesen Standort sah, war dies das Tüpfelchen auf dem I! Ehrlich gesagt, mit so einer zentral gelegenen und stattlichen Mauer hatte ich nicht gerechnet. Und als jemand, der auch immer versucht einen Bezug zur türkischen Esskultur zu schaffen, hat mich das im Namen von Yeni Rakı natürlich auch mit Stolz erfüllt!
Offen gesagt, traf ich während den Vorbereitungen auf einen herzlichen und ruhigen (coolen) ONUR, ganz anders als von mir erwartet. Man merkt sofort, seine Teamkollegen sind gleichzeitig auch seine besten Freunde. Dazu sagt er: „Wir reisen gemeinsam durch die ganze Welt.“ ONUR hat einen Abschluss im Studiengang Bühnenbild. Bis Covid-19 alles lahmlegte, reiste er durch die ganze Welt und führte die letzten Jahre, so wie er mir sagte, ein Leben, in dem der Koffer nie geschlossen wurde. Zur Welt kam in der Schweiz, als Kind einer Gastarbeiterfamilie. Er arbeitet im fotorealistischen Stil. Also, in der Art, dass es wie ein Foto wirkt. Acrylzylinder en masse und der Pinsel ist immer griffbereit. Ein spezifisches Merkmal bei ONURs Mural-Art-Projekten sind auch die UV-Licht empfindlichen Farben, die er benutzt. Da durch diese Farben die Bilder auch nachts sichtbar werden, kann man somit auch für so einige überraschende Ergebnisse sorgen.
Doch nun zur Geschichte des imposanten Yeni Rakı Mutal-Art-Werkes: Das erste, was ihr dabei wahrnimmt, ist der Schriftzug „Auf das Zusammen“... Eingearbeitet auf eine riesige Wand, 10x15 Meter groß, und in Farben, die dank UV-Licht-Anteil, auch nachts leuchten. Zu sehen: eine Rakitafel, mit Sicht auf den Bosporus, inklusive dem Leanderturm. Hinter dem geöffneten Laptop blickt uns dort der Leanderturm entgegen. Eine zarte Frauenhand hebt das Glas, bereit zum Anstoßen. Und zwar mit einem Astronauten, scheinbar aus dem Display heraus! In der Street-Art ist der Astronaut wohl ein gängig verwendetes Symbol. Eine bildliche Darstellung von Interaktionen aus der Ferne und der Annäherung aneinander... Im Mural-Art-Werk von YENİ RAKI steht dieses Symbol hier für all die Freunde und Liebsten, deren Gesichter wir derzeit, aufgrund der aktuellen Umstände, beim Anstoßen nicht sehen oder besuchen können. Das Beisammen, „Zusammen“ sein ist ein wesentlicher Bestandteil der Raki-Kultur. Mit dieser Interpretation nimmt der Mural-Art-Künstler ONUR gleichzeitig auch Bezug zu dem türkischen Wort „Muhabbet“, das für eine gemütliche Plauderei steht, und eins meiner Lieblingswörter im Türkischen ist.
In Berlin sprach ich mit ONUR über das Yeni Rakı Mural-Art-Werk, das viel Beifall findet.
Wenn Sie an die Person denken, die Sie heute sind, welche Stellung hat da die Kunst?
Ich bin das Kind einer typischen Gastarbeiterfamilie. Meine Familie gehört zu denen, die herkamen, um Geld zu verdienen, zu sparen, den Traum hatten, ein Auto zu kaufen... Für sie war Kunst etwas mit dem man nicht seinen Lebensunterhalt bestreiten kann. Das Malen habe ich, als ich klein war, von meiner großen Schwester gelernt. Mit 14 habe ich zum ersten ein Portrait von ihr in Acryl gemalt. Ich bin sehr früh von Zuhause ausgezogen und habe dann angefangen, Werke für Theaterbühnen anzufertigen. Da ich gut darin war, habe ich dann Bühnenbild studiert. Denn ich wollte Profi werden und meinen Lebensunterhalt damit verdienen. Das war eine Privatschule in der Schweiz, die sowohl sehr teuer war und auch nur einen Studenten pro Jahr annahm.
Schon sehr jung zu wissen, was man möchte, und von Zuhause fortzugehen, hat nicht nur was mit Rebellion zu tun, sondern zeugt auch sehr von Mut.
Ihr wisst, was es heißt, aus einer türkischen Familie zu kommen. Es gibt einen Weg, den sie für euch vorsehen. Ich wusste schon mit 17, was ich wollte. Wichtig ist, glaube ich, auch folgendes: Wenn du ein freies, unabhängiges Leben führst, fällt es dir leichter zu entscheiden, was du machen möchtest. Alle, denen ich sagte, dass ich mit meinen Bildern Geld verdienen möchte, meinten, dass das verrückt und unmöglich sei. Zu Anfang malte ich auf Leinwand. Später begann ich mit Freunden auch draußen Bilder zu malen und dann: New York! Meine Arbeit hier fand Platz in der New York Times. Klar, das hat sich dann sofort rumgesprochen und diente mir als gutes Startbrett.
Bis Sie Ihre künstlerische Identität, Ihre persönliche Art gefunden haben, haben Sie verschiedene Richtungen getestet. Welchen Platz nimmt hier die Mural Art für Sie ein?
Das ist eine gute Frage. Bei allen Praktiken, die ich ausgeübt habe, habe ich immer erst nur Bilder mit kleinen Pinseln angefertigt. Mittlerweile habe ich gelernt, mich in den Prozess, von dem Sie sprechen, fallen zu lassen. Es gab Phasen, in denen ich mich 1-2 Jahre lang auf einfachere Linien beschränkt, noch unbearbeitete Bilder angefertigt habe, später bin ich dann wieder zu sehr detaillierten Arbeiten zurückgekehrt. Und jetzt bin ich dabei, all diese Techniken zu vereinen. Ich finde, entschieden wird auf der Wand! Und genau das ist auch der Sinn der Sache. Früher war ich mehr Perfektionist. Jetzt hingegen – vor allem beim Malen – finde ich Perfektionismus langweilig. Beim Malen draußen bin ich immer auf der Suche nach Möglichkeiten, die Farben noch mehr zu mischen. Bei der Street Art verwenden viele Künstler primär schwarz und weiß. Ich mache das nie. Also beispielsweise, einfach nur die Grundfarbe aus den Paletten nehmen und an die passende Stelle setzen, ist nichts für mich. Auch an den Plätzen, an denen ich arbeite, herrscht immer großes Chaos, denn da ich immer alle Farben mische, sind überall Farbpaletten verstreut.
Was waren die Schlüsselwörter für das Projekt, das Sie für Yeni Rakı angefertigt haben?
Während der Zoom-Meetings habe ich drei Entwürfe präsentiert. Eins davon war das, das Sie hier sehen... Einer der Meeting-Teilnehmer sprach davon, das Glas in Richtung des Bildschirms zu heben. Das in Zeiten von Corona vor dem Display Tische gedeckt, sich zugeprostet wurde, ist ja bekannt. In diesen neuen Zeiten wurde selbst gechillt mittels Bildschirm. Das ist etwas, was wir zuvor nie erlebt hatten. Ich merkte, das hier etwas von uns abstrahiert wurde. Und ich wollte eben Bezug nehmen, auf diesen surrealistischen Aspekt dieser neuen Form des gegenseitigen in Kontaktrettens. Das Dekor hier wird vor allem Türken ansprechen.
Eine klassische Rakitafel, mit Honigmelone, und hinten der Leanderturm.
Und was assoziieren Sie so mit einer Rakitafel?
Mich erinnert es an meine Wurzeln. Wenn ich meine Schwester besuchen gehen, decken wir immer eine Rakitafel. Ihr Mann liebt es, Raki zu trinken und dabei lange, unterhaltsame Gespräche zu führen. Das ist nichts, was man in Europa finden kann. Zumal schon allein, die Menschen hier schnell vom Tisch aufstehen. Das auf dem Bild auch ein bisschen Mezze mit bei ist, hat seinen Grund. Denn bei einer Rakitafel isst man, trinkt man ein wenig und dann, je geselliger die Runde, je länger die Plauderei währt, bestellt man weitere Mezzes. Und der Tisch, den ich gemalt habe, zeigt, vereint eben auch alles, was man zum Raki trinken, möchte.